127
Briefe.
was Sie eben so natürlich als billig finden wer-
den, — höre auch nicht auf wider diese Behauptung
Einsprache zu thun. Dieser offnen Fehde ungeach-
tet, sind beide Schwestern dahin übereingekommen,
Sie zu bitten, daß Sie selbst diese Streitfrage doch
weder jetzt noch \t in Zukunft entscheiden möchten.
Leben Sie wohl! Dre Vorsehung wache huld-
reich über die Heiterkeit Ihres Gemüthes und den
Frieden Ihrer Seele.
2. Ein Brief von I. G. Jakobi an
seinen Bruder.
Ueber den Tod des blinden Dichters Pfeffel.
An wen sollte ich in meiner Trauer um Pfeffel
mich eher wenden, als an dich, mein Lieber, mit
dem ich seit den Kinderjahren so manchen gemein-
schaftlichen Verlust beweinte, und der in meinem
eignen Leiden mir oft so tröstend die Hand bot?
Du sahest ihn nie, den brüderlichen Freund unsers
verewigten Schlosser und den meinigen; aber Du
liebtest ihn, wie er Dich liebte, redetest von ihm mit
eben der Empfindung, mit welcher er über jeden
kleinen, Dich betreffenden, Umstand mich befragte;
und selbst seine ehrenvolle Aufnahme in die Akade-
mie der Wissenschaften, deren Vorsteher Du bist,
war ihm als Erfüllung eines, zuerst von Dir öffent-
lich ausgesprochnen Wunsches, doppelt theuer. Wer
also weiß besser, als Du, was ich verlor? Ach, und
seitdem Schlosser diese Gegend verließ, war er von
meinen alteren Freunden de^ einzige, der in mei-
ner Nahe lebte! In wenigen Stunden konnten
wir am diesseitigen Rhein - Ufer zusammentreffen,
wo wir einander wechselsweise nach Freiburg oder
nach Colmar abholten. Welch ein Augenblick dann,
wenn vor dem Gasthofe der Wagen des früher
angekommenen Freundes schon da stand, und die
/ f •
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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sitz Siebenter Abschnitt.
fqhrern, wie er sie nur in seinem jetzigen Vater-
lande, Portugall, finden konnte, sein großes Vor-
haben zur Ausführung bringen zu können. Denn
daß auch Johann der Zweite, der erst vor kurzem
einen Pedro de Coviilam und Alphonso de Payra zu
Lande nach Abyssinien, und den Bartholomao Dia;
zur See nach Indien gesandt hatte, so ungezwei-
fe!t vortheilhaste Vorschläge ebenfalls zurückweisen
werde, ließ er sich wohl von ferne nicht in den Sinn
kommen. --- Colombo war dem Könige bereits von
einer nicht unvortheilhaften Seite als Seemann
bekannt; um so eher konnte er wenigstens Aufmerk-
samkeit und sorgfältige Prüfung seiner Vorschlage
erwarten. — Hierin fand er sich auch nicht betro-
gen. Johann widmete ihnen beides: und da er, oh
wohl keineswegs ganz ohne Kenntnisse dieser Art,
sich doch nicht Einsicht und Erfahrung genug zu-
traute, um darüber zu entscheiden, so übertrug er
die nähere Prüfung derselben den Männern, denen
er die meiste Fähigkeit einer richterlichen Entschei-
dung zutraute, und die er gewöhnlich zu Ra/he zu
ziehen pflegte. — Diese waren; der Bischof von
Ceuta, und zwei jüdische Aerzte, die in dem Rufe
standen, große Cosmographen zu seyn. — Diesen
drei Männern war auch die Aufsicht über die Ent-
deckungsreisen anvertraut, und der Plan, nach wel-
chem man dabei verfuhr, rührte zum Theil von
ihnen her, und war wenigstens völlig von ihnen
febjlligt. Natürlich waren sie nun auch für diesen
flan, und eben so natürlich gegen jeden andern ein-
genommen, der von diesem abwich, oder gar ein
entgegengesetztes Verfahren angab. Und ein empi-
rischer Seemann — denn dafür galt ihnen Colombo
nur sollte einsichtsvoller seyn, als so große ge-
lehrte Eosmologen? Schon vor der Untersuchung
stand daher bei ihnen die Ueberzeugung, oder viel-
mehr der Schluß fest, daß des Colombo Plan
nichts tauge und verworfen werden müsse. — In-
dessen, da der König nicht der Mann war, den man
mit Machtsprüchen abfertigen konnte, so suchten sie
sich für diesen einen genugthuenhen Beweis zu ver-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel]]
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TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T184: [Insel Amerika Portugiese Afrika Spanier Kolumbus Küste Entdeckung Jahr Indien], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König]]
Extrahierte Personennamen: Johann Pedro_de_Coviilam Alphonso_de_Payra Johann Johann
Sz4 Siebenter Abschnitt.
rischsten Reden wider den Sokrates. Er betrat nach
ihnen den Platz, ohne zu zittern oder zu zagen, oh-
ne, nach der damaligen Gewohnheit auf Gerichts-
stuben , seine Richter durch einen jämmerlichen An-
blick zum Mitleiden bewegen zu wollen; sondern
mit dem gesetzten und zuversichtlichen Wesen, das
seiner Weisheit anständig war. Er hielt eine zwar
ungekünstelte und unvorbereitete, aber männliche
und sehr nachdrückliche Rede, in welcher er alle Ver-
leumdungen und boshaften Gerüchte, die man zu
seinem Nachtheil ausgestreut batte, ohne Bitterkeit
widerlegte, seine Ankläger beschämte, und in ihren
eignen Beschuldigungen Widersprüche und Unge-
reimtheiten zeigte. Seinen Richtern begegnete er
zwar mit der erforderlichen Ehrerbietigkeit, sprach
aber in einem so festen, und seines Vorzugs sich be-
wußten Tone, daß seine Rede öfters durch unzu-
friedenes Murmeln unterbrochen ward. Er beschloß
mit folgenden Worten: „Werdet nicht ungehalten,
Athenienser ! daß ich, wider die Gewohnheit der
Verklagten, nicht in Thränen zu euch rede, oder
meine Kinder, Verwandten und Freunde in einem
kläglichen Aufzuge erscheinen lasse, um euch zum
Mitleiden zu bewegen. Nicht aus Hochmuth oder
Trotz habe ich dieses unterlassen; sondern weil ich
ps für unanständig halte, einen Richter anzuflehen,
und ihn durch etwas andres, als durch die Recht-
mäßigkeit der Sache, einnehmen zu wollen. Der
Richter hat sich durch einen Eid verpflichte/, nach
Gesetz und Billigkeit zu urtheilen, uno sein Mitlei-
den so wenig als seinen Zorn den Ausspruch thun
zu lassen. Wir Angeklagten handeln also wider
Recht und Billigkeit, wenn wir euch durch unsre
Klagen eidbrüchig zu machen suchen, und wider die
Achtung, die wir euch schuldig sind, wenn wir euch
fähig halten, es zu werden. Ich will auf keinerlei
Werft meine Errettung solchen Mitteln zu verdanken
haben, die weder recht, noch billig, noch gettes-
fürchtig find; vornehmlich da ich vom Melrtus so
eben der Gottlosigkeit beschuldiget worden bin.
Wenn ich durch mein Flehen euch meineidig zu
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Charakterschilderung und Biographie. 295
machen suchte, so Ware dieses der überzeugendste
Beweis, daß ich keine Götter glaube; mithin würde
mich diese Vertheidigung selbst der Gottesläugnung
überführen. Aber nein! ich bin mehr, als alle mei-
ne Ankläger, von dem Daseyn Gottes überzeugt,
und ergebe mich daher Gotte und euch, mich nach
Wahrheit zu richten, und über mich zu verhangen,
was ihr so wohl für euch, als für mich für das
Beste haltet."
Die Richter waren höchst unzufrieden über die-
ses gesetzte und unerschütterte Wesen, und unter-
brachen den Plato, der nach ihm hervortrat und zu
reden begann. „Ob ich schon der jüngste bin, Athe-
nienser! fing Plato an, von denen, welche diesen
Ort hinaufgestiegen" — Heruntergestiegen! riefen
sie ihm zu, und ließen ihn seine Rede nicht fort-
setzen. Sokrates wurde durch die Mehrheit volt
drei und dreißig Stimmen für schuldig erkannt.
Es war die Gewohnheit zu Athen, daß die Der-
urtheilten sich selbst eine gewisse Strafe, Geldbuße,
Gefängniß oder Verbannung auflegen mußten, um
dadurch die Billigkeit des Urtheils zu bekräftigen,
oder vielmehr ihre Verbrechen eiuzugestcheu. So-
krates sollte- wählen'; aber er wollte auf keinerlei
Weise gegen sich selbst so ungerecht seyn, sich für
schuldig zu erkennen. „Wenn ich frei sagen soll,
was ich verdient zu haben glaube, so wisset, Athe-
nienser! ich glaube, durch die Dienste, die ich dev
Republik geleistet habe, wohl werth zu seyn, daß
mau mich auf öffentliche Kosten im Prytaneum un-
terhalte." Auf Zureden seiner Freunde verstand er
sich gleichwohl zu einer kleinen Geldbuße, wollte
aber nicht zugeben, daß sie unter sich eine größere
Summe zusammenschießen sollten. Die Richter be-
rathschlagten sich, welche Strafe sie ihm zuerkennen
sollten, und die Bosheit seiner Feinde brachte es
dahin, daß er zum Lode verurtheilt wurde. „Jhv
seyd mit eurem Urtheil sehr voreilig gewesen , Athe-
nienser! sprach Sokrates, und habt dadurch den
Verlaumdern dieser Stadt Stoss gegeben, euch vor-
zuwerfen, daß ihr den weisen Sokrates ums Leben
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Altertum.
9
Iii. Die Römer.
I. Die Königszeit.
753 Gründung der Stadt Rom (Palatin).
Romulus (Remus).
Numa Pompilius (Kultus).
Tullus Hostilius (Albalonga zerstört).
Aneus Marcius (Plebs).
Tarquinius Priscus (Bauten).
Servius Tullius (Centuriatverfassung; 5 Klassen)-
510 Tarquinius Superbus vertrieben.
Älteste Verhältnisse:
Familie — Geschlecht (die gens) — Gemeinde (= Patrizier).
Volksversammlung — Senat — König.
Klienten (Patron ein Patrizier) \ .
Kriegsgefangene (Patron der König) J e ejei *
Durch die Centuriatverfassung wird bewirkt: Bildung des Heeres aus Patriziern und Plebejern;
Einrichtung der Centiiriatcomitien. (98 Stimmen der 1. Klasse gegen 95 Stimmen.)
2. Zeit der Republik.
494 Auswanderung der Plebs auf den heiligen
Berg. (Schuldenlast erleichtert; Volkstribunen.)
Ackergesetz des Cassius.
—449 Die Decemvirn. (Geschriebene Gesetze auf Xii
Tafeln. Appius Claudius, Virginia.)
445 Das Gesetz des Canulejus: Eherecht.
Militärtribunen rait consularischer Gewalt (statt Consuln).
—396 Belagerung von Veji — Camillus.
390 Schlacht an der Allia; Verbrennung Roms durch
die Gallier.
367 Licinische Gesetze: über Staatsland; über
Schuldenerleichterung (Zinsen vom Kapital abgezogen); ein Consul Plebejer (Sextius).
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TM Hauptwörter (100): [T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T53: [Rom Stadt König Romulus Tempel Römer Sohn Forum Zeit Alba]]
TM Hauptwörter (200): [T162: [Jahr Rom Senat Plebejer Volk Gracchus Cicero Gesetz Konsul Marius], T181: [Rom Kaiser Sohn Stadt König Nero Romulus Jahr Tarquinius Tod], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T146: [Rom Römer Stadt Krieg Gallier Rmer Italien Heer Jahr Schlacht]]
Extrahierte Personennamen: Romulus Numa_Pompilius Tullus_Hostilius_(Albalonga Aneus_Marcius Tarquinius_Priscus Servius_Tullius Claudius Veji_—_Camillus
m
können, hatten sie seit der Decemviralregierung die Erlaubniß, vor den
Thüren der Rathsversammlung zu sitzen und deren Verhandlungen zu-
Zuhören. Die von ihnen gebilligten Senatsbeschlüsse Unterzeichneten
sie mit einem T. Damit sie zu jeder Zeit helfen konnten, durften sie
gesetzlich, außer wahrend der latinischen Ferien, keine Nacht außerhalb
der Stadt zubringen, und Tag und Nacht mußten die Thüren ihrer
Wohnungen offen stehen. Zu ihrer Bedienung hatten sie keine Lictoren,
sondern nur Apparitores, Staatssklaven. Sie hatten weiter keine äu-
ßere Auszeichnung, als daß sie eine mit einem Purpurstreifen besetzte
Toga trugen.
Seit der Errichtung des Tribunats begann der Kampf um die
Gleichstellung der bürgerlichen Rechte und Ansprüche gegen die Patricier
oder den Erbadel, der aber in der Verwaltung der einstußreichen Au-
spicien und öffentlichen Opfer in der Cliente! zwei feste Stützen seiner
Macht hatte. Da jedoch die Tribunen den Grundsatz, in der Plebejer-
gemeinde liege die höchste Macht (Souverainitat des Volkes), mit
Beharrlichkeit festhielten und durchführten, so mußten sie endlich ihren
Zweck erreichen. In der später» Zeit der Republick benutzten aber
Factionshaupter die tribunicische Gewalt zu herrschsüchtigen Absichten
und richteten durch eine zügellose Demokratie die Republik zu Grunde.
Nach Einführung der Monarchie wurde diese Gewalt ein Attribut der
Kaiser. Die dabei noch fortdauernden Tribunen waren » ein leeres
Schattenbild und ein Name ohne Ehre," bis auch dieser unter Con-
stantin dem Großen verschwand.
Mit den Tribunen wurden die Aediles plebeji eingesetzt, als Auf-
seher des plebejischen Archivs im Cerestempel, wahrscheinlich auch als
Verwalter der Gemeindekasse, und der Polizei über die Plebejer. Auch
führten sie die Aufsicht über den Kornhandel und die Brodspenden, bis
dazu im I. 440 v. Chr. ein besonderer Aufseher, Praefectus annonae,
ernannt ward.
Iii.
Cajus Marcius Coriolanus und der Krieg gegen die Volsker.
Eine natürliche Folge des während der Kriege mit den Volskern
vernachlässigten Ackerbaues war Theuerung der Lebensmittel, dann
Hungersnoth; ansteckende Krankheiten herrschten im Volskerlande. Die
Consuln ließen daher Getreide in Etrurien und Sicilien aufkaufen, und
der edle Tyrann von Syrakus, Gelon, schenkte den Preis des in
seinen Hafen gekauften Getreides. Im Senate aber stritt man dar-
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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TM Hauptwörter (200): [T162: [Jahr Rom Senat Plebejer Volk Gracchus Cicero Gesetz Konsul Marius], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T63: [Kaiser Macht Rom Zeit Volk Jahr Mann Staat Augustus Name], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]
Zweiter Abschnitt.
Die Zeit der gemischten Verfassung von 366 —133 v. Ehr.
a. Bis zur Unterwerfung Italiens.
Xi.
Prätoren« Curnl - Aedilen. Theilnahme der Plebejer an
den höchsten Staatsämtern.
Die Rechtspflege, bisher mit dem Consnlat verbunden, übernahm
von nun an Ein Pratvr und zwar aus patricischem Geschlecht, weil
die Patricier die alleinigen Inhaber und Ausleger der Rechtskunde
waren. Seine Wahl geschah, wie die der Consuln, in der Versamm-
lung der Centurien. Er war auch der Stellvertreter der Consuln und
Inhaber der höchsten Gewalt in ihrer Abwesenheit. Seit 337 v. Ehr.
gelangten auch Plebejer zu dieser Würde. Gegen Ende des ersten
punischen Krieges, im I. 242 v. Ehr., wurden zuerst zwei Prätoren
gewählt, ein Praetor urbanus für die einheimischen Bürger, und ein
Praetor peregrinus, welcher den Fremden in Rom das Recht sprach,
wie in Athen der Archon Polemarchos. Als die Römer auch aus-
wärtige Besitzungen erhielten, so wurde für die Verwaltung dieser
Länder die Zahl der Prätoren auf vier, nachher auf sechs, durch Sulla
auf acht, unter Cäsar auf sechszehn vermehrt, welche aber seit der
Einführung der guaestiones perpàae oder beständigen Criminalgerichte
im Iahe 144 v. Ehr. während ihres Amtsjahres in der Stadt blieben
und erst im folgenden Jahre als Propraetores eine Provinz zur Ver-
waltung durch das Loos erhielten (sortiri provinciam)^ Beim Antritte
seines Amtes machte der Prätor ein Edict oder eine Formel bekannt,
wonach er in Fällen, worüber die Gesetze nichts bestimmten, seine
Entscheidungen fällen wollte. Vor seinen Gerichtshof gehörten anfangs
nur Civilprocesse oder Privatstreitigkeiten. Die öffentlichen oder pein-
lichen Gerichte (judicia publica) wurden von dem ganzen Volke in den
Comitien gehalten und judicia populi genannt. Den Amtskreis der
Prätoren drücken die Worte do, dico und addico aus, d. h. er gab
oder bestimmte die Richter, gewöhnlich Senatoren und Ritter, später
diese allein, welche eine Art von Geschworengericht bildeten und das
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TM Hauptwörter (100): [T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
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63
stimmten den Publilius Volero, einen kühnen Mann, der schon
als Hauptmann oder Centurio gedient hatte, zum gemeinen Soldaten.
Da ihn die eingeschüchterten Tribunen, die er um Beistand anrief,
nicht schützten, als der Gerichtsdiener sich seiner Person bemächtigen
wollte; so schrie er laut: ,7 Ich spreche das Volk an und flehe zum
ganzen Bürgerstande um Schutz. Mitbürger, zu Hülfe! zu Hülfe,
ihr Waffenbrüder! Auf die Tribunen dürft ihr nicht warten, die eurer
Hülfe selbst bedürfen." Die Volksmenge horte seinen Ruf, mißhan-
delte die Lictoren und zerbrach ihre Ruthenbündel.
(Siehe die Abbildung Ng 13.)
Nachdem der Aufstand sich gelegt hatte, beriefen die Consuln, die sich
in die Curie geflüchtet hatten, den Senat und beklagten sich über Vo-
lero's Frechheit; doch wagte man nicht, , mit Strenge gegen das auf-
geregte Volk zu verfahren. Am nächsten Wahltage wurde Volero Volkö-
tribun für das Jahr 472 v. Chr., 282 n. R. Man erwartete, er
werde durch eine Anklage der Consuln Rache nehmen, allein nur auf
seines Standes Wohl bedacht, machte er den Vorschlag, daß die
Wahlen der plebejischen Obrigkeiten, die bisher in den Centuriatcomitien
geschahen und daher ganz von den Patriciern abhängig waren, künftig
durch die Tribus geschehen sollten, wo die Bürger nach Köpfen stimmten,
damit diese Wahlen ganz frei würden. , Die Patricier vereitelten aber
das ganze Jahr hindurch die Versammlungen der Gemeinde. Volero
erhielt aber auch für das folgende Jahr das Tribunat und fügte noch
den Vorschlag hinzu, daß die Pebs abgesondert von den Patriciern be-
fugt seyn solle, in der Gemeinde der Tribus über alle Gegenstände des
öffentlichen Wohls zu berathschlagen und zu beschließen. Heftig wider-
setzte sich der adelsstolze Appius. Um aber dem Ausbruche größerer
Unruhen vorzubeugen, verstand sich endlich der Senat, durch den billig-
denkenden Consul Titus Quinctius bewogen, zur stillschweigenden Ge-
nehmigung des Vorschlags (lex Publilia).
Mit Unwillen folgten aber die Legionen dem verhaßten Consul
Appius Claudius Regillensis in das Feld gegen die Volsker,
und nöthigten ihn zum Rückzüge. Dafür übte er an der ungehorsamen
Armee unerbittlich die Strenge des römischen Kriegsrechts: die Fahnen-
träger, die Hauptleute und Doppelsöldner, die ihrem Gliede entlaufen
waren, aus der übrigen Menge aber der zehnte Mann, wurden ent-
hauptet. Glücklicher führte sein College Ouinctius, dem die Bürger
wohl wollten, den Feldzug gegen die Aequer. Appius wurde nachher
wegen seiner Härte, und weil er die Ackervertheilung Hintertrieben hatte,
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T55: [Rom Krieg Römer Jahr Heer Cäsar Hannibal Pompejus Marius Schlacht], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe]]
TM Hauptwörter (200): [T162: [Jahr Rom Senat Plebejer Volk Gracchus Cicero Gesetz Konsul Marius], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind]]
69
andern Tage bestieg Appius den Richterstnhl und sprach seinem Clienten
das Recht zu, sich der Virginia, die mit ihrem Vater, Bräutigam und
Verwandten in Trauerkleidern erschienen war, als seiner Sklavin zu
bemächtigen. Als die Menge scheu vor dem abgeschickten Lictor zurück-
wich und Virginius seine Tochter ohne Hülfe sah, da führte er sie
rasch bei Seite, ergriff in einer nahen Fleischerbude ein Meffer und
sprach: „Kind, dies einzige Mittel blieb mir, deine Freiheit zu retten!"
Dann durchstach er dem Mädchen die Brust und rief zum Richtcr-
stuhl hinaufblickend: „ Auf dich, Appius, und auf dein Haupt lade
ich den Fluch dieses Blutes!" bahnte sich mit dem Messer einen Weg
und erreichte, von der ihm nacheilenden Menge gedeckt, das Thor.
(Siche die Abbildung 16.)
Wahrend Jcilius und seine Genossen das Volk in Rom zur Rache
entstammten, eilte der Vater nach dieser gräßlichen That in das Lager
zurück und reizte das Heer zur Empörung. In geschlossenem Zuge
gingen die Soldaten nach Rom und besetzten den Aventinus, jeden
Bürger zur Wiedereroberung der Freiheit und zur Wiedereinsetzung der
Tribunen auffordernd. Hier ernannten sie zwanzig Tribunen und zogen
vom Aventinus auf den heiligen Berg. Die Patricier sahen sich zur
Nachgiebigkeit gezwungen. Durch die den Plebejern befreundeten Se-
natoren L. Valerius und M. Horatius ließen sie den Frieden
unterhandeln. Die Bürger kehrten zurück auf den Aventinus und
wählten fünf Bürgertribunen; Valerius und Horatius erhielten daö
Consulat, auch die übrigen Obrigkeiten wurden wieder eingesetzt, nach-
dem die Decemvirn ihr Amt niedcrgelegt hatten.
Zur Befestigung der wiedergewonnenen Bürgerfreiheit gaben die
Eonsuln in einer Centurienversammlung folgende Gesetze (Leges Vale-
riae et Horatiae): l) Daß Alles, was der Bürgerstand durch die
Stimmen seiner Bezirke feftsetzte, das Gesammtvolk verpflichten oder
für dasselbe verbindlich seyn solle (ut guoä plebes tributim jussisset,
populum teiieret); 2) daß Niemand eine Obrigkeit wählen solle, von
der man nicht Ansprache (Appellation, provocatio) an das Gesammt-
volk nehmen könne, und wer dagegen handle, solle geächtet seyn, so
daß ihn jeder ungestraft zu tobte« befugt sey; 3) daß die Tribunen,
plebejischen Aedilen und Richter unverletzlich seyen (lex Duilia tribu-
nicia); 4) daß alle Senatsbeschlüsse in Abschrift an die plebejischen
Aedilen abgegeben und in dem Cerestempcl anfbewahrt werden sollten^
Um der Verfälschung der Urkunden vorzubeugen, Unterzeichneten von
jetzt an die Tribunen dieselben mit einem T. Auch hatten sie seit
dieser Zeit einen Sitz im Senate vor den geöffneten Thüren der Curie,
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T88: [Sohn Vater König Tod Kaiser Tochter Bruder Jahr Mutter Gemahlin]]
TM Hauptwörter (200): [T162: [Jahr Rom Senat Plebejer Volk Gracchus Cicero Gesetz Konsul Marius], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
70
damit sie die Verhandlungen hören, und, wenn es nöthig war, auf
der Stelle ihr Veto einlegen konnten.
Nachdem nun die Tribunen ihre Macht begründet sahen, klagte
Virginias die Decemvirn vor der Plebejergemeinde an. Vergebens
riefen die Verklagten das Volk um Erbarmung an. Sie wurden ver-
urtheilt und ihr Vermögen eingezogen. App ins endigte sein Leben im
Kerker durch Selbstmord; ein anderer wurde hingerichtet oder entleibte
sich, die übrigen gingen in die Verbannung. Also endete die Herr-
schaft der Decemvirn zu Anfänge des Jahres 305 n. R., 449 v. Chr.
Da die Aequer, Sabiner und Volsker sich wieder zum Kriege rü-
steten und die Consuln gegen sie ausziehen mußten, so ließen sie vor
ihrem Abgänge die in Erz gegrabenen Gesetze der Decemvirn, welche
den Namen der zwölf Tafeln führen, öffentlich aufstellen. Wir
kennen sie nur aus wenigen Bruchstücken. Aus diesen geht aber hervor,
daß eine größere Gleichheit in die Verfassung gebracht wurde, indem
die Patricier von jetzt an Mitglieder der örtlichen Tribus oder Be-
zirke wurden, so daß die ursprünglich plebejischen Tribus die gesammte
souveraine Nation in sich begreifen. Auch die Clienten wurden in die
Tribus ausgenommen, so daß der Unterschied zwischen Plebejer und
Clienten aufhört und diese auch mit zu dem Volke gerechnet werden.
Uebrigens blieb die Regierung und Verwaltung des Staates fort-
dauernd in den Händen der Patricier, aus deren Mitte die wichtigsten
Staatsamter besetzt wurden. Auch konnte nach diesen Gesetzen zwi-
schen Patriciern und Plebejern keine gültige Ehe geschlossen werden
oder es durfte kein Connubium zwischen ihnen bestehen. Ueber das
Leben und die Freiheit eines Bürgers konnte allein die Versammlung
der Centurien entscheiden. Die Einführung besonderer Privilegien oder
Ausnahmen vom Gesetz für einzelne Bürger war streng verboten; den
Richtern war zur Beendigung eines Processes die bestimmte Frist vom
Morgen bis zu Sonnenuutergang gesetzt. Einige Gesetze zeugen noch
von der Rohheit des Zeitalters oder wurden wenigstens aus einer altern
Zeit herstammend beibehalten, z. B. daß der Vater seinen Sohn drei-
mal verkaufen konnte; daß Mißgeburten getödtet werden sollten; daß
zweijährige Benutzung liegender Gründe diese zum Eigeuthum mache;
daß Harte gegen die Schuldner und das Recht der Wiedervergeltung
erlaubt war. Andere Gesetze enthielten polizeiliche Verordnungen,
z. B. daß kein Leichnam in der Stadt beerdigt oder verbrannt, über-
mäßige Trauer bei der Todtenbestattuug und unnöthigcr Schmuck der
Leichen entfernt werden solle; daß die Häuser nicht zu nah an einander
gebaut werden durften. Auf Diebstahl, falsches Ieugniß, Zauberei und
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn]]
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